Werk-Info

Das Bewusstsein von der Langsamkeit künstlerisch-gestalterischen Arbeitens und die Haltung, dass Tradition nicht als Last oder Belastung sein muss, haben Eva Kiss bei ihrem fast zwei Jahre dauernden Aufenthalt im Reich der Mitte besonders beeindruckt.

Bei ihren Streifzügen durch die Hauptstadt Peking hat die Künstlerin ausgiebig im öffentlichen Raum fotografiert. Dabei fielen ihr vor allem vor Häuser stehende Stühle, Hocker und Sessel auf, die von ihren Besitzern höchst individuell für die eigenen Bedürfnisse adaptiert worden waren. Diese offene Zurschaustellung des Individualprinzips und Durchdringung der öffentlichen und privaten Raumgrenzen war den Behörden ein Dorn im Auge, und so mussten aus Anlass der Olympischen Spiele diese Stuhlkonstruktionen von den Straßen verschwinden.

Als Symbole der Entspannung, der Kreativität und des Verharrens hat Eva Kiss sie in ihren Werken auferstehen lassen. Freigestellt von der Umgebung auf fragiles Reispapier gedruckt, wurden sie auf mit dünnem Reispapier überzogene Holzrahmen aufgeklebt und teilweise mit Zeichen versehen. Auf eigene Weise zeugen diese Arbeiten als Briefe aus dem Reich der Mitte zugleich von der nicht nachlassenden Suche nach Freiheit und Individualität, die alle Zeiten und Wirren überstanden hat.